April 2020 I 6 Minuten I Digitalisierung, BIM, Kompetenz
Im Baugewerbe löst das Thema Digitalisierung noch immer gemischte Gefühle aus. Für den einen ist sie ein Versprechen. Für den anderen eine Drohung. Und manch einer begreift die digitale Transformation schlichtweg als logische Konsequenz.
In Wirtschaftszweigen wie der Industrie wird man schon lange nicht mehr nervös, wenn es um die Implementierung von neuen Prozessen zur Produktivitätssteigerung geht. Auf dem Bau hingegen besteht weiterhin Aufklärungsbedarf. Und das zu Recht. Denn im Vergleich zu standardisierten Verfahren wie in der Industrie üblich, verlangt das vielschichtige Baugewerbe individuelle Lösungen. Woran liegt es, dass die Umsetzung nur zögerlich Fahrt aufnimmt?
Für den Philosophen, Mathematiker und freien Schriftsteller Prof. Dr. Dueck hängt das zum Großteil mit der unklaren Zielsetzung der Branche zusammen. „Beim Bau von Raketen geht es darum den Mars zu erreichen, in der Autoindustrie geht es um selbstständiges Fahren, in der mittelständisch geprägten Baubranche dagegen gibt es noch kein gemeinsam definiertes Ziel.“, so Prof. Dr. Dueck. „Um das festzulegen, müsste man die ganze Bauindustrie vom Prozess her umstellen.“ Das bedeutet, Arbeitsabläufe werden durch die Digitalisierung nicht komplizierter, sondern lediglich umstrukturiert.
„BIM ist eine Philosophie beim Planen und Bauen. Und es ist ein Prozess, der sich über mehrere Jahre fortsetzen muss, da neue Technologien nicht in aller Kürze gesamtheitlich eingeführt werden können. Dazu ist der Markt zu „kleinteilig“. Dipl. Ing. Axel Muehlenbruch, BIM Manager Hilti Deutschland
BIM in Kürze
Die BIM basierte Planung ist auf dem Vormarsch. Projekte müssen transparent und effizient abgewickelt werden. Dazu arbeiten alle Beteiligten eines Bauvorhabens an einem digital vernetzten Modell, das sämtliche Projektinformationen bereithält.
Über BIM-Bibliotheken stellen Unternehmen und Hersteller digitale Objekte, wie zum Beispiel Aufhängungen zur Verfügung, die in den Gebäudeentwurf eingepflegt und von Planern mit weiteren Informationen versehen werden. So entsteht ein umfassendes System, mit dem Fehlerquellen und Verzögerungen vermieden werden. Anhand der Planung lassen sich sämtliche Simulationen von der Bauausführung bis zum Gebäudebetrieb vornehmen und entsprechend steuern.
Der BIM Gedanke umfasst allerdings nicht nur die digitale Planungsphase, sondern ein ganzheitliches System, das interne Prozesse und Strukturen betrifft. Hilti tritt hierbei mit einem umfassenden BIM-Ansatz, von der passenden Software über vernetzte Werkzeuge bis hin zu kompletten Systemlösungen und Serviceleistungen, als kompetenter Projektpartner in Erscheinung.
BIM – Der Schlüssel in eine neue Welt?
Ist die BIM-Methode damit also in der Lage eine ganze Branche zu revolutionieren? Mit Sicherheit! Und genau das ist momentan auch die Krux. Denn der Umstieg aller Beteiligten innerhalb eines Bauprojektes auf BIM ist gar nicht so einfach. Viele Unternehmen sind mit der digitalen Umstellung schlichtweg überfordert. Schließlich geht es darum, auf einen Schlag neue Prozesse einzuführen, Transparenz zuzulassen, EDV-Lösungen kennenzulernen und Planungsentscheidungen einzuhalten. Das alles in einem Umfeld, in dem Wettbewerbsstrukturen, rechtliche Standards und die Verwendung von übergreifenden Softwarelösungen noch nicht vollends geklärt sind. Nichtsdestotrotz stellt die digitalisierte Planungsmethode das Modell der nahen Zukunft dar.
„Der Planer, der mit BIM nicht vertraut ist, sieht BIM als eine Quelle von Kosten und zeitraubenden Prozessen, die ihm nur noch mehr Arbeit machen. Sicherlich erfordert die Implementierung von BIM zunächst einen Aufwand von der Seite des Planers, aber ist der Prozess einmal implementiert, wird er ihn bei jedem weiteren Projekt entlasten.
Als Beispiel nenne ich einen MEP-Planer, der 2014 nur 4 Planer beschäftigte: Jetzt, nach der Implementierung von BIM für ihre Projekte, beschäftigt dieses Unternehmen fast 50 Planer! Sie haben auf dem Markt gezeigt, wie stark wir in der digitalen Revolution des Bauprozesses sind!“ Adam Niepokoj, Head of Technical Marketing, Hilti Polen
Zwar arbeitet man derzeit noch eifrig an rechtlichen Standards und Normen, aber schon jetzt fordern viele große Bauträger und öffentliche Auftraggeber in ihren Ausschreibungen die Verwendung von BIM. Endlosprojekte wie der Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie in Hamburg haben deutlich gemacht, dass ein Handeln dringend erforderlich ist. So setzt das Verkehrsministerium auf ein verbindliches Stufenmodell für öffentliche Infrastrukturprojekte bis ins Jahr 2020. In Ländern wie Großbritannien oder Skandinavien ist dies schon lange Standard.
BIM muss praktikabel sein
Nichtsdestotrotz müssen BIM Planungs- und Bauleistungen in Ausschreibungen genau definiert sein. Alleine die Aussage: „Wir wollen BIM“, kann nicht gelten. „Die Anforderungen seitens der Auftraggeber müssen ganz klar definiert und in einem Pflichtenheft festgehalten werden“ sagt Rechtsanwalt Dr. Jörg L. Bodden. Es braucht gemeinsame Spielregeln, in denen Begrifflichkeiten, die Verwendung eines gemeinsamen Datenmodells, die Vergütung, Haftung und vieles mehr festgelegt sind. Besonders in der frühen Planungsphase erfordert die BIM-Methode einen erhöhten Arbeitsaufwand. Dieser gleicht sich bei der Bauphase durch klare Prozesse und Strukturen wiederum aus. Die optimale BIM-Projektierung setzt alle relevanten Informationen über ein Gebäude anhand eines komplexen Datenmodells, an dem alle Beteiligten mit den jeweiligen Softwarelösungen arbeiten, voraus. Ein gigantisches Konstrukt, das Simulationen zum Brandschutz oder der Gebäudeoptimierung ebenso zulässt, wie die Berechnung von Logistikabläufen oder die Ressourcenplanung.
Einen praktikablen Ansatz und ein guter Einstieg in diesem Geflecht bietet darüber hinaus die „Little BIM“ Methode, bei der es darum geht, anhand von „Insellösungen“ mit einer gemeinsamen Softwarelösung zu arbeiten.
Über allem steht der Gedanke, Gebäude zuerst zu planen und dann zu bauen. Und wie sieht das in der Realität aus? „Ob BIM schneller ist als eine konventionelle Planung, sei mal dahingestellt, aber wir haben die besseren und vor allem konsolidierte Planungsergebnisse“, meint Dipl.-Ing. Matthias Braun, Leiter der Produktion und Entwicklung der Firma Obermeyer. „Wichtig ist, dass nicht BIM bestimmt, was wir in Zukunft tun müssen, sondern wir selbst.“, so Braun. „Man muss da optimieren, wo man tatsächlich Optimierungspotential sieht, aber man darf es nicht verkomplizieren.“ BIM muss also vor allem praktikabel sein. Das heißt, neue Methoden sollten so eingeführt werden, dass sie auch marktgerecht sind.
Den „einen“ BIM Prozess gibt es nicht. Es geht darum, gemeinsam los zu laufen, zu lernen und die eigene Position im Markt zu sichern.
Am Ende profitieren von der digitalen Denk- und Arbeitsweise und Methoden wie BIM alle Beteiligten eines Projektes. Planbare Kosten, mehr Transparenz und effizientere Prozesse. Eine spannende Aufgabe, die es gemeinsam anzupacken gilt.